In der präzisen Welt der Steuerungssysteme für Industrieroboter sind PCBs (Printed Circuit Boards) weit mehr als nur grüne Substrate, die elektronische Komponenten tragen. Sie dienen als neuronales Netzwerk des Organismus, als zentrale Drehscheibe, die präzise Bewegungen und zeitnahe Reaktionen gewährleistet, und als letzte Verteidigungslinie zum Schutz der Mensch-Maschine-Kollaboration. Als Steuerungsingenieur mit jahrelanger fundierter Expertise in funktionaler Sicherheit habe ich Produktionsstillstände und noch schwerwiegendere Sicherheitsvorfälle erlebt, die durch geringfügige Hardwarefehler verursacht wurden. Diese Erfahrungen haben mich eine tiefgreifende Lektion gelehrt: Für hochzuverlässige, hochsichere Anwendungen wie Industrieroboter ist jede Selbstgefälligkeit ein direkter Weg zur Katastrophe. Daher müssen wir Prüf- und Verifikationsmethoden anwenden, die über konventionelle Praktiken hinausgehen, und Boundary-Scan/JTAG (IEEE 1149.1 Standard) ist das schärfste Skalpell in unserem Werkzeugkasten. Es dringt in die „Kapillaren“ der Hardware ein, um sicherzustellen, dass komplexe, hochdichte Leiterplatten in Bezug auf funktionale Integrität und Sicherheitskonformität fehlerfrei sind. Diese Technologie ist kein einmaliger Produktionstest, sondern umfasst den gesamten Produktlebenszyklus - vom Konzeptdesign und der Prototypenvalidierung bis zur Massenproduktion und Feldwartung - und bietet eine unvergleichliche Tiefe an Einblick und Kontrolle, um strenge funktionale Sicherheitsziele zu erreichen.
Zweikanal-Sicherheitsarchitektur: Nutzung von Boundary-Scan/JTAG zur quantitativen Verbesserung der Diagnoseabdeckung und periodischen Prüfung
Der Eckpfeiler der Sicherheitssteuerung von Industrierobotern ist das Redundanzdesign, wobei die Zweikanal- (oder Mehrkanal-) Architektur das klassische Paradigma für die Erzielung von Fehlertoleranz und ausfallsicherem Betrieb darstellt. Die Kernidee ist: Zwei oder mehr unabhängige Verarbeitungskanäle arbeiten parallel, führen dieselben sicherheitskritischen Aufgaben aus und überwachen sich gegenseitig. Fällt ein Kanal aus, kann das System die Anomalie durch Vergleichs- und Arbitrierungsmechanismen erkennen und sofort in einen vordefinierten sicheren Zustand übergehen (z. B. Abschalten der Motorleistung). Dieses theoretisch perfekte Modell steht jedoch in der Ingenieurpraxis vor erheblichen Herausforderungen: Wie können wir sicherstellen, dass diese beiden Kanäle physisch und elektrisch wirklich unabhängig sind? Wie können wir überprüfen, ob ihre gegenseitige Überwachungslogik korrekt und zeitnah auf verschiedene potenzielle Fehler reagiert?
Traditionelle „Black-Box“-Funktionstests - das Einschalten des Systems und das Ausführen von Anwendungssoftware zur Beobachtung seines Verhaltens - sind hier nahezu machtlos. Sie könnten einige Logikfehler aufdecken, sind aber bei potenziellen Hardwarefehlern, wie winzigen Lötbrücken zwischen Kanälen oder unsichtbaren kalten Lötstellen unter BGA-Gehäusen (Ball Grid Array), hilflos. Diese Defekte können sich nur unter bestimmten Temperatur-, Vibrations- oder Spannungsschwankungen manifestieren und werden zu latenten „Zeitbomben“. Boundary-Scan/JTAG-Technologie bietet eine revolutionäre „White-Box“-Testlösung. Durch das Einbetten einer „Boundary-Scan-Zelle“ zwischen jedem digitalen Pin und der Kernlogik von JTAG-kompatiblen ICs (wie Mikroprozessoren, FPGAs und CPLDs) und das Verbinden all dieser Zellen zu einer seriell zugänglichen Scan-Kette erhalten wir eine beispiellose Kontrolle und Beobachtungsmöglichkeit über diese Pins - ohne jeglichen Funktionscode auszuführen.
Mithilfe dieser JTAG-Kette können wir eine Reihe hochwertiger strukturierter Tests durchführen:
Überprüfung der elektrischen Isolation zwischen Kanälen: Dies ist der erste Schritt zur Validierung der Unabhängigkeit redundanter Designs. Testingenieure können JTAG-Testvektoren schreiben - zum Beispiel, indem sie einen kritischen Ausgangspin (wie einen, der ein Sicherheitsrelais ansteuert) auf Kanal A über die JTAG-Kette auf einen hohen Pegel zwingen und dann den Zustand des entsprechenden Überwachungseingangspins auf Kanal B auslesen. Idealerweise sollte der Pin-Zustand von Kanal B unverändert bleiben. Wenn der Pin von Kanal B ebenfalls auf einen hohen Pegel geht, deutet dies eindeutig auf einen unbeabsichtigten elektrischen Kurzschluss zwischen den beiden angeblich isolierten Kanälen hin. Dieser Test erreicht eine 100%ige Abdeckung für alle digitalen I/O-Kurzschlussfehlermodi, mit einer Präzision und Abdeckung, die von keiner anderen Methode erreicht wird.
Kontrollierte, wiederholbare Fehlerinjektion: Funktionale Sicherheitsstandards erfordern eine umfassende Validierung von Sicherheitsmechanismen, und die Fehlerinjektion ist ein kritischer Bestandteil davon. JTAG macht die Fehlerinjektion präzise und effizient. Wir können verschiedene Hardwarefehler simulieren, wie zum Beispiel:
- Stuck-at-Fehler: Erzwingen, dass ein bestimmter Eingangs-Pin auf Kanal B auf einem hohen Pegel (Stuck-at-1) oder niedrigen Pegel (Stuck-at-0) verbleibt, um einen offenen oder Kurzschluss in der Sensorsignalleitung zu simulieren. Wir beobachten dann, ob die Überwachungslogik auf Kanal A dieses „unvernünftige“ statische Signal innerhalb der angegebenen Zeit (Fehlertoleranzzeitintervall, FTTI) erkennen und eine Sicherheitsabschaltung auslösen kann.
- Timing-Fehlersimulation: Präzise Steuerung des Timings von Pin-Zustandsübergängen über JTAG, um Signalverzögerungen oder Jitter zu simulieren und dabei die Timing-Toleranz des Systems und die Effektivität der Taktüberwachungseinheit (CMU) zu überprüfen.
- Quantitative Verbesserung der Diagnoseabdeckung (DC): Gemäß funktionalen Sicherheitsstandards wie IEC 61508 und ISO 13849 ist die Diagnoseabdeckung (DC) eine Schlüsselmetrik zur Bewertung der Fähigkeit eines Sicherheitssystems, eigene Hardwarefehler zu erkennen, die direkt das erreichbare Sicherheitsintegritätslevel (SIL) oder Performance Level (PL) bestimmt. DC ist definiert als das Verhältnis von „gefährlichen, erkennbaren Fehlerraten“ zu „gesamten gefährlichen Fehlerraten“. JTAG-Tests können viele blinde Flecken traditioneller Funktionstests abdecken, wie zum Beispiel:
- Unbenutzte IC-Pins (sind sie schwebend oder versehentlich verbunden?).
- Alle Verbindungen in komplexen Bustopologien.
- Pin-Verbindungen in hochdichten Gehäusen wie BGA und LGA, die nicht physisch geprüft werden können.
- Die Boundary-Scan-Logik innerhalb des IC selbst. Durch die Kombination der Ergebnisse von JTAG-Interconnect-Tests mit FMEDA (Fehlermöglichkeits-, Auswirkungs- und Diagnoseanalyse) können wir die Diagnoseabdeckung der Hardware von den 70%-80% (mittlere DC), die durch Funktionstests erreichbar sind, auf über 99% (hohe DC) erheblich steigern, eine Voraussetzung für das Erreichen von SIL 3- oder PLe-Niveaus.
Die Grundlage dieses Erfolgs liegt in der Durchführung umfassender und sorgfältiger DFM/DFT/DFA-Überprüfungen (Design for Manufacturability/Testability/Assembly) während der Entwurfsphase. Die Sicherstellung der korrekten Implementierung von JTAG-Scan-Ketten in komplexen Designs mit extrem hoher Routing-Dichte, wie z.B. HDI-Leiterplatten, einschließlich der Signalpfadintegrität, der Terminierungswiderstandskonfiguration und des physikalischen Layouts der TAP-Schnittstelle, ist eine Voraussetzung, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
Not-Aus-Schaltung: End-to-End-Integritätsprüfung von physischen Lötstellen bis zu logischen Funktionen
Der Not-Aus (E-Stop)-Schaltkreis ist die Schutzschicht mit der höchsten Priorität im Sicherheitssystem eines Industrieroboters. Er muss in der Lage sein, die Gefahrenquelle (typischerweise die Stromversorgung des Servomotors des Roboters) unter allen Umständen auf die direkteste und zuverlässigste Weise abzuschalten. Ein typischer Not-Aus-Schaltkreis besteht aus einer Reihen- oder Parallelschaltung von Komponenten wie physischen Tasten, Sicherheitsrelais oder Schützen, Optokopplern und Ein-/Ausgangspins von Mikrocontrollern. Sein zentrales Konstruktionsprinzip ist die „Ausfallsicherheit“ (fail-safe), was bedeutet, dass jeder einzelne Komponentenausfall (z. B. Kabelbruch, Verschweißen von Relaiskontakten) dazu führen sollte, dass das System in einen sicheren Zustand übergeht.
Herkömmliche Methoden reichen nicht aus, um einen solch „lebenswichtigen“ Schaltkreis zu überprüfen. Multimeter können nur statische Durchgangsprüfungen durchführen, und Oszilloskope können Signalwellenformen beobachten, aber keines von beiden kann das Kernproblem angehen - jene Lötstellen, die unter BGA-Gehäusen verborgen sind und für das bloße Auge oder Sonden unzugänglich sind. Eine BGA-Lötstelle mit „Kopf-im-Kissen“-Defekten kann bei einer Röntgenprüfung makellos erscheinen und sogar Funktionstests bei Raumtemperatur zufällig bestehen. Bei Betriebstemperaturanstiegen oder mechanischen Vibrationen kann sie jedoch transiente Unterbrechungen bilden, was zum Verlust von Not-Aus-Signalen mit potenziell katastrophalen Folgen führen kann. Boundary-Scan/JTAG schließt genau diese kritische Lücke. Es verlagert den Fokus der Prüfung von der physischen Form auf die elektrische Konnektivität selbst. Wir können ein JTAG-Testprogramm entwerfen, um die Integrität der gesamten digitalen Kette akribisch zu überprüfen - vom E-Stop-Signal, das in den Eingangs-Pin des MCUs gelangt, über die interne Logikverarbeitung des MCUs bis hin zum Ausgangs-Pin, der das Sicherheitsrelais ansteuert.
Der spezifische Arbeitsablauf ist wie folgt:
- Verifizierung der Eingangsverbindung: Simulieren Sie das Drücken und Loslassen des E-Stop-Tasters an der Testvorrichtung und überwachen Sie die Boundary-Scan-Zellen der entsprechenden Eingangs-Pins des MCUs in Echtzeit über den JTAG-Port. Bestätigen Sie, ob ihr Zustand korrekt von High- auf Low-Pegel und zurück auf High-Pegel wechseln kann. Dies überprüft nicht nur externe Verbindungen, sondern testet auch nebenbei, ob die Pull-up-/Pull-down-Widerstandskonfigurationen der Pins korrekt sind.
- Verifizierung des internen Logikpfads: Obwohl JTAG die Kernlogik des Chips nicht direkt testen kann, können wir JTAG mit den Debugging-Fähigkeiten des Prozessors (typischerweise ebenfalls über die JTAG-Schnittstelle zugänglich) kombinieren, um die Interrupt-Service-Routine, die das E-Stop-Signal verarbeitet, schrittweise auszuführen. Beobachten Sie Änderungen in relevanten Registern, um zu überprüfen, ob der Software-Debounce-Algorithmus und die Signalfilterlogik wie erwartet funktionieren.
- Überprüfung der Ausgangsverbindung: Verwenden Sie JTAG, um den Ausgangspin des MCUs, der das Sicherheitsrelais ansteuert, zu zwingen, zwischen sicheren (z.B. niedrigem Pegel) und unsicheren (hohem Pegel) Zuständen umzuschalten. Überwachen Sie gleichzeitig das Ansteuersignal der Sicherheitsrelaisspule mit externen Instrumenten oder einer anderen JTAG-Kette, um sicherzustellen, dass der Pfad vom MCU-Pin zum Relais-Eingang ungehindert ist.
Diese umfassenden End-to-End-Konnektivitätstests sind während der Phase der Erstmusterprüfung (FAI) von unermesslichem Wert. Das Ziel der FAI ist es, sicherzustellen, dass die erste Produktcharge die Designabsicht in Bezug auf elektrische Leistung, Bauteilplatzierung und Fertigungsprozesse erfüllt. Ein FAI-Dokument, das JTAG-Testberichte enthält, kann eine 100%ige Abdeckung bieten, um zu beweisen, dass alle elektrischen Verbindungen digitaler Netzwerke korrekt sind, und somit eine solide Qualitätsgrundlage für die nachfolgende Massenproduktion schaffen.
Natürlich ist JTAG kein Allheilmittel - es muss in Verbindung mit physikalischen Inspektionsmethoden wie der SPI-/AOI-/Röntgeninspektion eingesetzt werden. SPI (Solder Paste Inspection) stellt sicher, dass das „Rohmaterial“ des Lötens qualifiziert ist, AOI (Automated Optical Inspection) überprüft das „Aussehen“ der Komponenten, Röntgen untersucht die „skelettale“ Morphologie der Lötstellen intern, und JTAG bestätigt letztendlich, ob das „Nervensystem“ der gesamten Schaltung verbunden ist. Zusammen bilden diese vier Methoden ein umfassendes Qualitätssicherungssystem, das von der physikalischen Form bis zur elektrischen Funktionalität reicht.
Vergleich von Teststrategien für Sicherheitssteuerungs-Leiterplatten
| Testmethode | Abdeckung | Vorteile | Einschränkungen |
|---|---|---|---|
| Boundary-Scan/JTAG | Verbindungen zwischen digitalen ICs, Pins unter BGA/hochdichter Gehäuse, Steckverbinder-Pins | Keine physischen Sonden erforderlich, kann offene/kurze/Brückenfehler testen, programmierbare Fehlerinjektion, wiederverwendbare Testentwicklung | Kann keine analogen Schaltungen, Stromversorgungsnetze oder passive Bauteilparameter testen; erfordert, dass ICs den JTAG-Standard unterstützen |
| Flying-Probe-Test |
